Stellt euch vor, Prinzessin Fantaghirò und Jeanne d'Arc würden sich auf ein Tässchen Tee treffen. Wisst ihr, wer da mit am Tisch sitzen würde? Tilda. Ich kenne sie zwar erst seit exakt 232 Seiten, aber ich verwette ein Wildschwein darauf, dass sich die drei prima verstehen würden. Zumindest Jeanne d'Arc und Tilda. Warum? Ich sag's euch.
Tilda ist eigentlich die rechtmäßige Nachfolgerin des verstorbenen Königs. Einen Tag vor der Krönung kommt ihr allerdings die intrigante Familie in die Quere und schickt sie erstmal in die Wüste. Ok, in den Wald. Das Ergebnis wäre aber mehr oder weniger dasselbe. Zwei treue Freunde erretten sie zwar vor dem drohenden Exil, aber leider nicht vor einem Pfeil, der sie beim Tumult erwischt und schwer verletzt. Sie schaffen es trotzdem zu fliehen. So weit, so gut. Wären da nur nicht diese crazy Wahnvorstellungen, die sie mit blutenden Augen, Händen (und wer weiß, was da noch alles kommt!) durchleben und -leiden muss und danach das diffuse Gefühl hat, für etwas Höheres bestimmt zu sein. Ihr merkt, da hätten sie und Jeanne schonmal ein prima Gesprächsthema...
Und grundsätzlich ist Tilda auch eine spannende Persönlichkeit. Sie möchte nicht die bestehenden Machtverhältnisse auf Kosten der Armen beibehalten, sondern liebäugelt mit der Idee von Gerechtigkeit. Hört, hört! Immerhin kursiert unter den armen Bauern das Gerücht, dass es mal eine Zeit gegegeben haben soll, in der niemand hungern musste. Das wäre ja mal was!
Allerdings gibt es ein Problem: Tilda bekommt im gesamten ersten Band nicht wirklich die Gelegenheit, sich auch mal von ihrer sympathischen Seite zu zeigen. Sie ist zwar ein tough cookie, aber ich mag sie ehrlich gesagt nicht besonders. Das ist etwas schade, da ich mir nicht sicher bin, ob das nun so sein soll nach dem ersten Band, oder ob die Autoren da irgendwie verpasst haben, ihr ein wenig Sympathie einzupflanzen. Comickünstler Cyril Perosa war ja mal als Animationskünstler für Disney tätig, da wird das doch seit Jahrzehnten rauf und runter praktiziert, oder? Hier mal ein kleiner Plausch mit einem Vögelchen, hier mal ein Kätzchen vor dem Ertrinken gerettet, ihr wisst schon. Deshalb glaube ich eben auch, dass Fantaghió nicht zum Nachtisch bleiben würde... Aber Jeanne und sie, die könnten sich schonmal über die beste Ritterrüstung unterhalten, so wie das aktuell aussieht.
Hier und da gibt es gefühlt auch mal kleine Längen im Verlauf der Geschichte, aber die fantastische Bildgestaltung (ein Träumchen!) und die liebevollen Details machen einiges wett. (Ihr könnt da sogar reinlesen, denn Das Goldene Zeitalter gibt es auch zum Gratis Comic Tag am 11. Mai!) Gerade auf doppelseitigen Szenarien wurde sympathischerweise viel Liebe in die Dialoge von Nebenfiguren gelegt, das macht richtig Spaß, alle zu lesen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es weitergeht und ob Tilda mein Herz noch erwärmt... Bis dahin verbleibe ich mit meinem Lieblingszitat:
"..Ich mag Kirschen am liebsten mit Schnaps."
Verlag: Reprodukt
Von: Cyril Pedrosa & Roxanne Moreil
Inhalt: 232 Seiten (Teil 1 von 2)
Release: Mai 2019
Preis: 29,00 Euro